Donnerstag, 21. November 2013

Leas Oma - eine Omageschichte

Lea ging gerne mit ihrer Oma auf den Spielplatz. Sie hatte eine coole Oma. Und die war auch noch nicht alt. Also jedenfalls nicht ganz alt. Sie sah auf gar keinen Fall so aus wie frühere Omas, nämlich die Omas mit Dutt. Aber den tragen Omas eigentlich sowieso schon lange nicht mehr. Sie sah auch nicht so aus wie die Omas mit Dauerwelle. Doch auch diese Omas sind schon uralte Omas. Leas Oma trug eine flotte Kurzhaarfrisur, mit Strähnchen. Lea wusste nicht, ob die Oma mogelte und doch schon grau war. Die Oma selbst bezeichnete sich als „naturblond“.  Falten hatte sie auch keine, aber dafür viel Farbe im Gesicht. Sie schminkte sich leidenschaftlich und ging nie ungeschminkt aus dem Haus.

Lea war stolz auf ihre Oma. Auf dem Spielplatz blieb sie auch nicht einfach auf der Bank sitzen, so wie die anderen Omas, die dort ab und zu mit ihren Enkelkindern auftauchten und immerzu aus sicherem Abstand ihre Kommentare abgaben: „Max komm sofort wieder runter. Wenn du so hoch kletterst… ich kann dir nicht helfen!“ Dabei saßen sie auf der Bank wie festgewurzelt, bedeckten die Augen mit der flachen Hand, um sie gegen die blendende Sonne zu schützen und ihren Enkel genauer beobachten zu können, der da munter wie ein kleines Äffchen auf dem Gerät, das aussah wie ein überdimensionales Spinnennetz bis ganz nach oben turnte.

Nein Leas Oma wäre  am liebsten selbst mit geklettert. Wenn sie da nicht die missbilligenden Blicke gespürt hätte, die Frau Meier von nebenan in ihren Rücken bohrte. Deshalb begnügte sie sich unten stehen zu bleiben und Lea einfach zuzuschauen.

Im Sommer, wenn die Wasserspielanlage in Betrieb war, hatte es nicht nur Lea großen Spaß gemacht mit bloßen Füßen durch das Wasser zu stampfen. Auch die Oma schlüpfte aus ihren Sandalen und badete ihre Füße im Matsch.

Jetzt im Herbst ging das natürlich nicht mehr. Das wechselhafte und kalte Wetter ließ aus dem Spielplatzbesuch eine Stippvisite werden. Drinnen kuschelte sich Lea in eine warme Decke. Die Oma kochte ihr einen heißen Kakao, genauso wie es die Omas schon immer gemacht haben. Nur mit selbstgebackenen Plätzchen konnte sie nicht dienen. Während ganze Generationen von Omas für die gesamte Familie und Verwandtschaft Plätzchen gebacken haben, fiel Leas Oma hier völlig aus dem Rahmen. Denn es gibt sie ja noch immer: Die Omas, die ihre Familienehre darin sehen, zumindest an Weihnachten die besten Plätzchen zu servieren. Das ließ Leas Oma völlig kalt. 

Da setzte sie sich lieber mit ihrer Enkelin auf die Couch und las ihr Weihnachtsgeschichten vor. „Plätzchen machen sowieso nur dick“, murmelte sie dabei vor sich hin. Doch schließlich zauberte sie noch ein paar Lebkuchen hervor. „Na ja“, meinte sie, „selbstgebacken sind sie nicht“, schmunzelnd fügte sie hinzu: „aber selbst gekauft“.  So war Leas Oma – und Lea liebte sie dafür.

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