Mittwoch, 10. Dezember 2014

Ayana begegnet dem Christkind

Das kleine Mädchen mit den großen dunklen, fast schwarzen Augen im braunen Gesicht, das ein wenig an die Farbe von Kakao erinnerte, sah verwirrt auf das Glitzerwesen direkt vor sich. Ayana, so hieß das Mädchen, ging vorsichtshalber einen Schritt zurück. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Das Glitzerwesen war von Kopf bis Fuß hell. Es trug ein weißes Gewand, mit einer goldenen Bordüre und einem Gürtel aus lauter Sternen. Unter einer Krone quollen helle Haare, die bis auf die Schulter fielen, hervor. Die Arme mündeten in goldenen Flügeln. Dieses Wesen sagte etwas, aber die Worte waren Ayana fremd. Sie verstand nicht, was das Wesen meinte. Sie wusste auch nicht wer das Wesen war. So wusste Ayana nicht, dass direkt vor ihr das Christkind stand.

Ayana kam aus einem fremden Land. Weihnachten kannte sie durchaus auch. Es war nämlich der christliche Glaube, der Grund dafür war, dass die Familie von Ayana nicht mehr in ihrer Heimat leben konnte. Denn die Menschen hassten sie wegen ihres Glaubens. Deshalb stand Ayana nun hier mitten auf einem unbekannten Marktplatz in einem fremden Land.

Noch immer klebten ihre Augen wie festgewachsen auf dem sonderbaren Wesen. Trotz ihres christlichen Glaubens hatte Ayana noch niemals das Christkind gesehen. Nicht mal auf Bildern und erst recht nicht in Wirklichkeit. Deshalb wusste Ayana auch nicht, dass das Christkind Wünsche erfüllte.
Doch das kleine Mädchen mit den krausen, schwarzen Haaren und dem nachtschwarzen Gesicht hatte keine Wünsche mehr. Denn alles was sie sich einst wünschte, musste sie zurücklassen in einer Heimat, die weit entfernt von diesem Marktplatz lag. Sie hatte ihre Wünsche längst vergessen in einem Land, das ihr keinen Schutz bot und ihre Familie nicht haben wollte.

Da kam das Christkind direkt zu Ayana, reichte ihr einen Lebkuchen und sagte zu ihr: „Frohe Weihnachten“. Auch wenn Ayana die Worte nicht verstand, so merkte sie doch, dass das Christkind es gut mit ihr meinte. Sie nahm den Lebkuchen und antwortete in der für sie fremden Sprache mit denselben Worten: „Frohe Weihnachten“. Dabei spürte Ayana, dass sich ein winziger Funke Freude in ihr ausbreitete. Und tief in ihr keimte die Ahnung, dass sich der einzige Wunsch, den sie noch hatte, nämlich, irgendwo ohne Angst leben zu können, vielleicht doch noch erfüllen würde.

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Dienstag, 9. Dezember 2014

Wie die vorwitzigen Rentiere beinahe Weihnachten verhindert hätten…

Es war einmal vor langer, langer Zeit. Wie von alters her der Brauch, stand wieder einmal Weihnachten vor der Tür. Am Nordpol hörte man es aus allen Werkstätten hämmern und sägen. Die Zwerge wuselten munter und fleißig herum und setzten ihre ganze Energie ein, um ausgesuchte Weihnachtsgeschenke für die Kinder in aller Welt anzufertigen. Dazwischen sah man wunderschöne, zarte Geschöpfe, die rasch mit ihren durchscheinenden Flügeln schlugen und emsig dabei waren, Besorgungen zu machen. Es handelte sich um die Elfen, die soeben alle Zutaten für das Weihnachtsgebäck herbeischafften. In den Bäckereien liefen die Vorbereitungen dazu schon auf Hochtouren. Der Ofen war bereits angeheizt, die Zwerge standen schon bereit, um den Teig zu kneten. Als die Elfen mit den Zutaten hineinschwirrten, konnte endlich gerührt, geschüttet, geschlagen und geknetet werden. In einer Ecke standen Elfen, die eine Eiermasse herstellten, in einer anderen Ecke kneteten Zwerge den Teig, am nächsten Tisch rollten Zwerge den Teig aus, der dann wieder von den Elfen mit den verschiedensten Formen ausgestochen wurde. Bald schon roch es verführerisch nach leckerem Weihnachtsgebäck.

Auch der Weihnachtsmann zog genießerisch den Duft nach Zimt ein. „Hmm, wie das duftet!“, freute er sich. Er schritt weit aus, denn er musste den Fortschritt der Vorbereitungen kontrollieren. Langsam wurde es Zeit. Die Schlitten standen schon bereit und mussten demnächst mit den Geschenken bestückt werden.

Der Weihnachtsmann schaute den Zwergen genau auf die Finger. Jeder Handgriff musste sitzen. Bald war es soweit. Alles konnte eingeladen werden. Die Zwerge halfen genauso mit, wie auch die Elfen. Die Rentiere standen am Rand und schauten zu. Noch hatten sie nichts zu tun.

Zwei aus dem Sechsergespann sagten zueinander: „Mir ist langweilig, es dauert noch so lange bis wir endlich angespannt werden. Bis dahin könnten wir uns noch ein wenig die Füße vertreten.“ Gesagt, getan. Die beiden Rentiere entfernten sich von den anderen und liefen über die weiße Eiswüste des Nordpols. Nach einer ganzen Weile meinte das eine Rentier zu dem anderen: „Duuu, ich glaube wir müssen wieder zurück.“ 
Das andere schaute sich um und sagte: „Ist gut, aber wo ist ‚zurück‘?“ 
Das erste Rentier zuckte mit den Ohren: „Das weiß ich auch nicht.“ Sie schauten beide ratlos auf die große Eiswüste, die überall gleich aussah. Jetzt waren die beiden Rentiere traurig. Was sollten sie nur machen? Sie mussten dringend nach Hause.
Der Weihnachtsmann wollte doch losfahren! Wenn sie nicht schnell nach Hause kämen, würden die Kinder an diesem Weihnachten keine Geschenke bekommen. Die Rentiere galoppierten über das Eis. Nach einer Weile wurden sie müde und erschöpft, aber zu Hause waren sie noch immer nicht. Langsam kroch ihnen die Angst in die Glieder. 
„Wenn wir nie wieder heim finden“, jammerten sie. 
„Was sollen wir nur machen?“ 
Sie wussten sich beide keinen Rat. Es wurde dunkel und die Sterne leuchteten vom Himmel. Ein besonders heller und vorwitziger kleiner Stern sah die traurigen Rentiere und beugte sich langsam vom Himmel herunter. 
„Was ist denn mit euch los?“, wollte er wissen. 
„Wir finden den Weg nach Hause nicht mehr“, klagten die Rentiere ihr Leid. 
„Ich helfe euch“, bot ihnen der Stern sofort an. „Geht einfach meinem Licht nach“. Die Rentiere folgten dem hellen Licht des Sterns und wirklich kamen sie endlich wieder zu Hause an.


Sie hatten Glück, dass der Weihnachtsmann so sehr damit beschäftigt war, die Geschenke auf dem Schlitten zu verstauen, dass er die Abwesenheit der beiden Rentiere noch gar nicht bemerkt hatte. So waren sie gerade noch rechtzeitig gekommen. Die Rentiere wurden vor den Schlitten gespannt und der Weihnachtsmann machte sich mit seinem Gespann auf den Weg zu den Kindern in aller Welt.

Die Geschichte unterliegt dem Urheberrecht und darf nur mit meiner ausdrücklichen Genehmigung verwendet werden.

Wer sich für meine Geschichten interessiert, für den habe ich diese Empfehlungen:

 


Mittwoch, 3. Dezember 2014

Wie der Nikolaus einmal selbst beschenkt wurde

Er saß schon lange da auf den Eingangsstufen der großen Kirche. Ein alter Mann mit dichtem weißen Bart und einem roten Mantel. Die rote Zipfelmütze hatte er tief ins Gesicht gezogen, um sich so vor der eisigen Kälte zu schützen. Wenn jemand an ihm vorüberging, hob er den Blick und versuchte dem Passanten in die Augen zu schauen. Meistens vergebens. Denn die Vorübergehenden hasteten eilig vorbei, zielstrebig in die Büros, die Kaufhäuser, oder nach Hause. Dorthin wo es warm war. Wo es eine Heizung gab und sie nicht der eisigen, klirrenden Kälte ausgesetzt waren. Kaum jemand verschwendete einen Blick, oder gar einen Gedanken an den bibbernden, vor Frost starrenden Alten im durchscheinenden, roten Mantel. Wer seinen Blick auffing, stutzte für einen Moment, mancher wurde unsicher, kramte in seiner Tasche, oder im Geldbeutel nach ein paar Münzen und wollte sie in den bereitgestellten Hut, oder was auch immer werfen. Auf der Suche nach einem solchen Gefäß hielten sie die Münzen unschlüssig in der Hand, schauten darauf, als wüssten sie nicht wie die Geldstücke in ihre Hände gelangt wären, zögerten kurz und – je nach Temperament – drückten sie die Münzen dann dem Alten in die Hand, oder aber sie steckten sie wieder zurück, nachdem sie nichts fanden, in das sie die wenigen Cents werfen konnten. Sie zuckten mit den Schultern und gingen ihrer Wege. Der Alte war schon vergessen. Er gehörte nicht zu ihrem Leben. Natürlich nicht. Wie sollte er auch. Der alte Mann saß stattdessen weiter auf den großen breiten Stufen und wartete. Worauf er wartete, hätte er wohl selbst nicht zu sagen vermocht. Doch wenn er etwas gelernt hatte in seinem Leben, dann, dass es sich lohnt zu warten. Denn er hatte viel Schlimmes erlebt im Leben. Er war aus einem fremden Land nach Deutschland gekommen. In seiner Heimat herrschte Krieg. Soldaten hatten  seine Frau und seinen Sohn umgebracht. Sein Haus war zerstört worden. Er konnte nicht mehr bleiben und er flüchtete. Weg, irgendwohin in ein Land ohne Mörder und ohne Angst. Irgendwann war er dann nach Deutschland gelangt.

Obwohl er längst geglaubt hatte, dass alles zu Ende sein müsste, war es weitergegangen. Es lohnt sich, einfach darauf zu warten, dass es weiter geht und dass es besser wird. Irgendwie musste es einfach besser werden.

Der alte Mann saß da und wartete. Er schaute hinauf zum Himmel und sah wie langsam der erste Schnee aus dicken Wolken fiel. Die Flocken glitten zeitlupengleich und mit Bedacht zur Erde, so als wollten sie den alten Mann behutsam auf den für ihn ungewohnten Winter einstimmen. Die Kinder jauchzten und freuten sich. Der alte Mann aber zog seinen roten Mantel noch fester um die ausgemergelten Schultern. Langsam wurde es dämmrig, die ersten Lichter hüllten die Stadt in einen adventlichen Glanz. Trotzdem blieb der Mann wo er war. Er wartete.

Da tauchte plötzlich ein anderer Mann auf. Er hieß Ben Meier und hatte gerade Feierabend. Ben sah den Alten und ging auf ihn zu.

 „So sieht der Nikolaus aus“, sagte er mehr zu sich selber als zu dem Mann. „Nur nicht ganz so mager.“ Er begann mit dem Mann zu reden. Der Alte verstand ihn nicht wirklich, denn er konnte kaum Deutsch. Ben fragte ihn: „Wie heißt du?“ „Nikolaos“, kam die Antwort. Da hatte Ben eine Idee: „Du bist heute mein Gast. Meine Familie wartet auf den Nikolaus. In diesem Jahr machen wir es einfach mal anders: Statt dass der Nikolaus mit Geschenken zu uns kommt, beschenken wir den Nikolaus.“

Genau so machte er es.  Das Warten hatte sich für den alten Mann gelohnt.


Die Kinder der Familie Meier fanden es sehr, sehr  aufregend, einen Mann aus einem ihnen unbekannten Land kennenzulernen. Sie lauschten gebannt seinen Geschichten. Sie verstanden zwar nur wenig, denn Nikolaos musste immer wieder nach Worten suchen. Aber die Kinder freuten sich sehr über den interessanten Gast. Als sie an diesem Abend zu Bett gingen, dachten sie noch lange über den Mann mit dem Namen „Nikolaos“ nach. Ob er wohl mit dem „richtigen Nikolaus“ verwandt war? Der kam ja auch nicht aus Deutschland und hieß fast genauso. Vor lauter Denken schliefen sie allmählich ein und in ihren Träumen wurde aus Nikolaos mit einem Mal ein strahlender Bischof ganz so wie einst der Bischof Nikolaus.




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Freitag, 28. November 2014

Das stumme Mädchen und die Schneeflocke

Melina war ein kleines Mädchen. Trotz ihres jungen Lebens hatte sie mehr schlimme Dinge erfahren, wie mancher, der ein langes Leben hinter sich hat. Ihren Vater kannte sie nicht. Die Mutter hatte ihre kleine Tochter zwar sehr lieb, aber sie kümmerte sich kaum um sie. Egal ob Melina essen wollte, ob sie fror, oder Trost brauchte, immer wurde sie von der Mutter weg geschoben. Geregelte Essenszeiten kannte Melina nicht. Sie bekam nur unregelmäßig mal mehr, mal weniger zu essen. Oft vergaß die Mutter ganz einfach, dass es sie überhaupt gab. Denn die Mutter nahm Drogen. Deshalb kannte Melina ihre Mama meist als eine Frau, die nicht angesprochen werden konnte.
Darum redete Melina nicht mit ihrer Mama. Sie hatte sich angewöhnt, auch mit anderen nicht zu reden. Stumm sein, schien ihr die beste Möglichkeit, mit den Anforderungen der Welt zurechtzukommen.
Als sich das Jahr langsam wieder neigte und es wie jedes Jahr auf Weihnachten zuging, erklärte die Mutter ihrer Tochter, dass Weihnachten ausfallen müsste. Melina verstand nicht, was die Mutter damit meinte. Aber sie ahnte, dass sie wohl keine Weihnachtsgeschenke bekommen würde. Als Melina dann wieder einmal alleine zu Hause war, saß sie in der winzigen Küche am Fenster und sah hinaus wie weiße, große Flocken wie feiner Staubregen zur Erde wirbelten. Melina stellte sich vor, die Schneeflocken wären kleine verzauberte Prinzessinnen in wunderschönen weißen Kleidern.  Sie malte sich aus wie es wäre, wenn eine dieser Prinzessinnen mit ihr befreundet sein wollte. Wie von selbst öffnete Melina das Fenster und streckte ihre kleinen Hände hinaus. Sie spürte die bittere Kälte nicht. Stattdessen freute sie sich über die Schneeflocken, die ihre Hände berührten. Da geschah es, dass eine besonders große Flocke auf der Hand sitzen blieb, ohne zu schmelzen. Melina wartete eine Weile, doch nichts geschah. Die Schneeflocke blieb wo sie war. Da zog Melina ihre Hand samt der Schneeflocke hinein in die warme Stube. Sie schloss das Fenster und betrachtete die Schneeflocke. Statt zu schmelzen verwandelte sich die Flocke auf einmal in ein winziges bezauberndes Wesen, mit langen, hell schimmernden Haaren und einem brautähnlichen weißen Kleid. Sie hatte durchaus Ähnlichkeit mit einer wunderschönen Braut. Melina war so baff, dass sie vergaß, dass sie eigentlich schon lange nicht mehr sprach. Sie fragte das bezaubernde Geschöpf: „Wer bist du denn?“ „Ich bin eine Schneeflocke und heiße Finia“. „Und wieso schmilzt du dann nicht?“, wollte Melina wissen. „Weil ich keine gewöhnliche Schneeflocke bin.“, flüsterte Finia geheimnisvoll. „Ich bin eine Zauberflocke“. „Aha“, macht Melina. „Was zauberst du denn so?“ Finia lachte. Es klang wie das Geläut eines winzigen silberhellen Glöckchens. „Ich verzaubere Kinder.“ Vor lauter Schreck hätte Melina die Schneeflocke beinahe fallen gelassen. „Keine Angst“, beruhigte sie Finia schnell. „Ich tu dir schon nichts. Ganz im Gegenteil: Ich helfe dir“. Melina seufzte. „Wie willst du das denn machen?“ Filinia gluckste wieder. „Du wirst schon sehen.“, versprach sie. „Auf jeden Fall will ich deine Freundin sein. Willst du das?“ „Au ja“, freute sich Melina. „Eine Freundin wäre fein.“
Plötzlich hörte Melina wie ihre Mutter zurückkam. „Schnell, lass mich wieder nach draußen“, bat Finia da. „Aber dann bist du wieder fort und ich seh dich nie wieder“, warf Melina ein. „Hab keine Angst“, meinte Finia, „ich komme wieder. Du musst nur achtgeben, wenn es wieder schneit. Dann bin ich wieder unter den Flocken.“ Melina seufzte. Dann machte sie das, was die Schneeflocke von ihr verlangte. Sie öffnete das Fenster und schnippte sie nach draußen. Keine Sekunde zu früh. Denn schon stand ihre Mutter in der Tür. Sie hatte diesmal keine Drogen genommen. „Mama“, sagte Melina. Sie merkte gar nicht, dass sie noch immer redete und ganz vergessen hatte, wieder so stumm wie sonst zu sein. Vor lauter Überraschung blieb die Mutter wie angewurzelt stehen. Dann nahm sie Melina in die Arme. „Meine Kleine“, freute sie sich. „Du kannst ja reden.“

Die Mutter war so glücklich, dass sie schwor, von nun an keine Drogen mehr zu nehmen. Daran hielt sie sich auch. Stattdessen bekam Melina an diesem Weihnachtsfest doch noch ein Geschenk und eine Mama, die sich von nun an immer um sie kümmerte. Und manchmal, wenn es schneite, stand Melina am Fenster und schaute in den Flockenwirbel. Sie wusste, dass sie da draußen eine Freundin hatte, die es sehr gut mit ihr meinte.


Dienstag, 11. November 2014

Maria, die Mutter Jesus - Eine Vorlesegeschichte für Kinder

Maria
Maria war noch ganz klein, als sie von ihren Eltern in den Tempel gebracht wurde, wo ihre Eltern sie Gott weihten. Das Mädchen hatte dunkle schön glänzende lockige Haare und große braune Augen mit denen sie neugierig in die Welt schaute. Sie wollte alles genau wissen und interessierte sich schon früh dafür, was um sie herum passierte und wie Gott sich um ihr Volk kümmerte. Maria war Israelitin und gehörte zu dem Volk, das von Gott auserwählt wurde. Jahrhunderte vorher hatte Gott den Abraham berufen und ihn in ein verheißenes Land geführt. Abraham bekam Kinder und Enkel, die ihrerseits wieder Kinder und Enkel bekamen. Und Maria war eine Nachfahrin von Abraham und zählte deshalb zum Volk Israel.
Darum unterrichtete man sie von klein auf in dem, was Gott mit ihren Vorfahren getan und wie Gott das Volk in all den Jahrhunderten geleitet hatte. Sie erfuhr auch bald davon, dass ihr ganzes Volk auf den Messias wartete. Sobald sie davon hörte, bekam sie eine große Sehnsucht nach dem Messias. „Wann kommt der Messias?“, fragte Maria ihre Mutter. Anna lachte über ihre kindlichen Fragen, aber sie nahm ihre Tochter auch sehr ernst. Deshalb antwortete sie ihr: „Maria, wir wissen leider nicht, wann der Messias genau kommt. Aber wir sind alle sicher, dass seine Ankunft unmittelbar bevorsteht. Bestimmt kommt er bald!“
Anna gab damit das Wissen an ihre Tochter weiter, das sie selbst besaß. Alle Israeliten glaubten an die baldige Ankunft des Messias. Für Anna war es wichtig, ihrer Tochter frühzeitig den Glauben an Gott zu vermitteln. Trotzdem wollte sie auch, dass Maria spielte und sich so richtig austobte. Sie musste sowieso von klein auf mit anpacken und mithelfen. Damals konnten Kinder nur selten spielen. Sie arbeiteten genauso wie die Erwachsenen. Manche Kinder sogar viel mehr. Doch die Eltern von Maria achteten darauf, dass sich ihre Tochter nicht überanstrengte. Maria war das lang ersehnte Wunschkind von Joachim und Anna. Deshalb wachten sie über sie und ließen nichts auf sie kommen. Maria war ihr Augenstern. Darum hatte Maria auch immer wieder Zeit, um mit anderen Kindern aus dem Dorf zusammen am Bach zu spielen, Steine zu sammeln, sich zu verstecken, oder die Römer zu nachzumachen, die immer wieder im Dorf herumlungerten. Das gehörte zu ihren Lieblingsspielen. Wann immer sie Zeit hatte, suchte sie ihre Freundin Rahel und gemeinsam versteckten sie sich im Schatten eines Hauses um von dort aus, die Römer zu beobachten. Sie ahmten deren Sprache, ihre Gesten und ihr Auftreten nach. Dabei lachten sie sich dann aus vollem Herzen kaputt. Die Römer waren diejenigen, die das jüdische Volk unterdrückten. Deshalb fanden es die Kinder befreiend, wenn sie sich über die Römer lustig machen konnten. Erwischen durften sie sich dabei natürlich nicht lassen. Aber genau das machte den Reiz des Spiels aus.
So wuchs Maria behütet und beschützt langsam zu einer jungen Frau heran. Dann musste sie schon in jungen Jahren einen Schicksalsschlag hinnehmen: Ihr geliebter Vater wurde schwer krank. Er musste lange das Bett hüten und konnte nicht mehr aufstehen. Eines Tages lag er tot im Bett. Maria war sehr traurig. Noch trauriger war natürlich Anna, ihre Mutter. Doch das Leben ging weiter.
Maria entwickelte sich zu einem hübschen jungen Mädchen und Anna machte sich Gedanken über die Zukunft ihrer Tochter. Sie sagte sich: „Langsam wird es Zeit, dass wieder ein Mann ins Haus kommt. Am besten wird sein, wenn  Maria heiratet.“  Damals heirateten die jungen Frauen früh. Anna fragte im Bekanntenkreis und hörte von Josef. Sie hätte ihn sich gut als Schwiegersohn vorstellen können. Anna fädelte noch die Verlobung von Maria und Josef ein. Doch dann wurde auch sie krank und starb.
So waren Maria und Josef schließlich verlobt, aber noch nicht verheiratet. Mit der Heirat wollten sie sich noch ein wenig Zeit lassen. Immerhin war Marias Mutter erst gestorben. Maria trauerte um ihre Mutter. Jetzt war sie Vollwaise. Josef tröstete sie: „Du hast doch jetzt mich“. Trotzdem zog sich Maria manchmal ganz alleine zurück und weinte ein Taschentuch nach dem anderen voll. Einfach, weil sie sich ganz alleine gelassen fühlte. Sie war ja noch so jung und so alleine. Doch es tat ihr gut, dass Josef da war. Eines Tages als sie gerade ihr Heim gründlich sauber machte und sie mit dem Besen in alle Ecken fuhr, da war es plötzlich ganz hell in ihrer düsteren Hütte. Maria sah irritiert auf und stand einem Wesen gegenüber, wie sie noch nie eines gesehen hatte. Die Gestalt war hell wie Sonnenlicht, hatte Flügel und ein strahlendes Gesicht. Maria konnte gar nicht richtig hinschauen, so sehr fühlte sie sich geblendet. Obwohl sie das Wesen noch nie vorher gesehen hatte, wusste sie sofort, dass sie einen Engel vor sich hatte. Diese Annahme wurde auch gleich bestätigt, als der Engel mit ihr sprach:
„Gegrüßet seist du, Maria! Der HERR ist mit dir, du Gesegnete unter den Frauen!“ Jetzt bekam es Maria doch ein wenig mit der Angst zu tun. „Was redete der denn da?“ Sie verstand das nicht, schließlich war sie nicht gesegnet, sondern nur ein einfaches Mädchen. „Maria, ich bin der Engel Gabriel“, stellte sich der Engel vor. „Ich habe einen Auftrag für dich.“
„Wie, einen Auftrag?“ Maria war nun doch sehr überrascht.
„Du sollst ein Baby bekommen.“
Schön, dachte Maria. Ich werde heiraten, aber das weiß ich schon. Der Engel sah, dass sie ihn nicht verstand.
„Du sollst ein Baby bekommen.“, wiederholte er noch einmal.
„Du meinst…obwohl ich nicht verheiratet bin?“, fragte Maria erstaunt.
Der Engel nickte. „Jetzt hast du verstanden.“
Maria schaute ihn ungläubig an. Ihre schwarzen Augen wurden kugelrund und noch größer. „Wie soll das denn funktionieren?“
„Gott selbst wird dafür sorgen. Es ist ein Wunder!“, verriet ihr der Engel.
Maria verstand auf einmal, dass Gott selbst einen besonderen Auftrag für sie hat. Da wurde ihr ganz warm und leicht ums Herz. Sie nickte heftig.
„Doch ja, das will ich tun. Ich bin eine Magd des Herrn. Mir geschehe nach deinen Worten.“, erklärte sie dem Engel.
Gabriel hatte seinen Auftrag erledigt und verließ sie wieder.
Als der Engel weg und Maria wieder allein war, wurde ihr langsam klar, dass eine unglaubliche Aufgabe vor ihr lag. Das begann schon damit, dass sie Josef vom Auftrag des Engels erzählen musste.
Obwohl Josef ein sehr sympathischer und verständnisvoller junger Mann war, reagierte er alles andere als verständnisvoll, als Maria ihm von ihrer Schwangerschaft erzählte. „Du willst mich wohl auf den Arm nehmen!“, war noch die harmloseste Anschuldigung, die er Maria entgegenschleuderte. Josef glaubte nämlich, dass sich Maria mit einem anderen Mann eingelassen hätte. Marias Beteuerungen nahm er überhaupt nicht zur Kenntnis. Er glaubte ihr einfach nicht. Stattdessen ließ er sie einfach alleine und verschwand, ohne sich zu verabschieden. Doch der Engel Gabriel hatte die Aufgabe, auch mit Josef zu reden. Deshalb erschien er auch ihm und erklärte ihm Marias Auftrag.
Dem Engel glaubte er schließlich. Deshalb kehrte Josef wieder zu Maria zurück. Maria war natürlich überglücklich, obwohl sie die Zwischenzeit gut genutzt hatte. Als Josef grußlos aus dem Haus gestürmt war, hatte Maria beschlossen, ihre Cousine Elisabeth zu besuchen. Denn sie hatte Lust, jemand von ihrer Schwangerschaft zu erzählen und Elisabeth war eine Verwandte ihrer Mutter. Deshalb machte sie sich auf den Weg zu ihrer Verwandten. Elisabeth war ebenfalls schwanger. Als sie Maria kommen sah, fing Elisabeths Baby in ihrem Bauch das Strampeln an und Elisabeth wusste, dass mit Maria etwas Besonderes los war. Das sagte sie auch gleich und grüßte Maria mit einem besonderen Gruß.
Doch Maria blieb bescheiden, war sie doch trotz allem nur ein unbedeutendes Mädchen. Immerhin hatte sich sogar ihr Verlobter von ihr abgewandt. Elisabeth tröstete ihre Cousine. Die beiden Frauen verstanden sich prächtig und als Maria nach längerer Zeit wieder zurückkehrte, stand tatsächlich Josef wieder vor ihrer Tür. Jetzt ahnte sie bereits, dass alles gut werden würde.
Als Marias Schwangerschaft im fortgeschrittenen Stadium angekommen war, beschloss der Kaiser in Rom, das jüdische Volk zu zählen. Deshalb schickte er Herolde aus. Diese Römer standen an allen Ecken und riefen mit lauter Stimme: „Alle Menschen müssen in den Ort zurückkehren, in dem sie geboren wurden und sich dort in eine Liste eintragen lassen. Das ist notwendig, damit der Kaiser weiß, wie viele Menschen zu seinem Reich gehören.“ Für Maria und Josef bedeutete dies, dass sie zu einer beschwerlichen Reise aufbrechen würden, da sie sich in Bethlehem in die Liste eintragen lassen mussten. Josef musterte besorgt Marias Bauch. „Das gefällt mir gar nicht.“, murmelte er vor sich hin. Doch Maria wehrte lachend ab. „Ich bekomme ein Baby, deshalb bin ich doch nicht krank.“ Sie fühlte sich gesund und kräftig und hatte keine Angst davor, mit einem Baby im Bauch zu verreisen.
Trotzdem wurde es eine sehr beschwerliche Reise nach Bethlehem. Dort angekommen, wollte Maria eigentlich nur noch schlafen. Doch leider gab es keine einzige freie Herberge. Stattdessen schickte sie der Herbergswirt in einen Stall. Maria war so fertig, dass es ihr schon egal gewesen wäre. Allerdings setzten in dieser Nacht die Wehen ein. Maria bekam ihr Baby. Jesus Christus kam in dieser besonderen Nacht auf die Welt. Maria durfte ihr ganz persönliches Wunder im Arm halten und dazu das ganz besondere Wunder für die gesamte Welt. Denn Jesus Christus war zwar ihr Kind, doch Jesus Christus war auch der Sohn Gottes. Deshalb haben wir alle etwas von dieser ganz außerordentlichen Geburt.
                                        

Weitere Geschichten von mir gibts hier:
 Geheimnisvolle Märchen
Das geschah in Bethlehem 
Ausgewählte Weihnachtsmärchen

Donnerstag, 6. November 2014

Vorweihnachtliches Gedicht

Weihnachtssehnsucht

Abends dann im Dunkeln,
wenn Feen leise munkeln
und Elfen flüsternd wispern
überall geheimes Knistern
*
Dann fliegen die Gedanken
über alle hohen Schranken
sehen tausend Sachen
die Kinder glücklich machen
*
Unsre lieben Kleinen
sind lange auf den Beinen
sie wünschen sich so sehr
den Tag der Tage her

Ingrid Neufeld

Freitag, 18. Juli 2014

Gedicht für Kinder

Kinder raus die Sonne scheint,
eh der Himmel wieder weint,
spielt verstecken, fangen, Ball,
Spaß gibt’s draußen überall.

Lasst den Computer einmal ruhn.
Für ihn gibt’s draußen nichts zu tun.
Im Freien kriegt er einen Schreck.
Dort zählt Natur und echter Dreck.

Geht wieder einmal in den Wald.
Nein, dort ist es gar nicht kalt.                        
Auch Hexen findet man dort keine
und Hunde müssen an die Leine.

Jetzt gebt euch endlich einen Tritt,
nehmt gleich das Nachbarskind auch mit.
Geht auf den Spielplatz hinterm Haus
und tobt euch einmal richtig aus.

Ingrid Neufeld


Mal wieder in die Natur gehen....

Mittwoch, 12. Februar 2014

Geschichte zum Vorlesen: Eine Omageschichte

Die Mama hatte keine Zeit. Deshalb holte die Oma Lea vom Kindergarten ab. Das war nicht schlimm. Im Gegenteil: Lea freute sich darüber. Sie hatte eine coole Oma. Bei ihr war es nie langweilig. Die Oma fuhr mit ihrem Golf Cabrio vor den Kindergarten. Mit geöffnetem Verdeck brausten sie dann nach Hause.

Dort schlug die Oma vor: „Wollen wir Kuchen backen?“ „Au ja“, strahlte Lea. Sie rannte gleich zum Vorratsschrank.  „Wo ist das Mehl? Ich hol schon mal die Schüssel“, Lea kramte eifrig in Omas Töpfen herum. Die Oma lachte über so viel Eifer.

 „So kompliziert machen wir es uns nicht“, wehrte sie ab. „Ich habe noch eine Backmischung zu Hause. Siehst du, da braucht man gar kein Mehl.“ Die Oma schüttete die Mischung in die Schüssel und ließ Lea die Eier aufschlagen. Margarine dazu und dann wurde alles mit dem Rührgerät schaumig geschlagen. Lea staunte. So schnell ging das Kuchenbacken bei der Mama nie. Nur wenige Minuten und schon war der Teig in der Kuchenform. 

„Wenn du magst, darfst du die Schüssel ausschlecken“, bot die Oma der Lea an. Das Mädchen freute sich. Denn das durfte sie zu Hause auch nie. Salmonellengefahr, meinte die Mama, auch wenn Lea keine Ahnung hatte, was das sein sollte.

Sie ließen den Kuchen langsam im Ofen seinen Duft entfalteten. Das kann er alleine, fand die Oma und statt zuzuschauen, tobte sie lieber mit Lea durchs Wohnzimmer. Während andere Omas gemütlich im Sessel saßen und Zeitung lasen, oder langweilige Fernsehsender einschalteten, oder gar erzählten, dass früher alles besser war, schaltete Leas Oma das Radio ein und tanzte zu den neuesten Hits. Sie schüttelte jede Faser ihres Körpers und bewegte sich so schnell und wendig als wäre sie ebenfalls erst fünf Jahre alt.

Nach einer Weile meinte Lea: „Was riecht denn da so komisch?“ Oma erstarrte mitten im Schritt. Sie schlug die Hand vor den Mund und rief: „Oh je! Unser Kuchen.“
Wie eine Rakete schoss sie zum Ofen und zog das Backkunstwerk heraus, das jetzt mit viel Fantasie aussah wie mit Schokolade überzogen, aber einen sehr unappetitlichen Geruch verbreitete. Lea sprach es aus: „Der Kuchen stinkt“.

„Na ja“, meinte die Oma. „Vornehmer ausgedrückt: Er riecht verbrannt.“ Dann lachte sie: „Da kann man nichts mehr machen. Aber damit du trotzdem deinen Kuchen kriegst, gehen wir jetzt einfach ins Café“.


Das taten sie dann auch. Die Oma bestellte sich dort eine große Tasse Kaffee und Lea bekam Kakao mit Schokoladenkuchen, aber diesmal einen richtigen, ohne verbrannten Schokoguss.